Herr Müller und Herr Faust gehen nach Amerika



Für den neuen Kolonisten hatte das harte Pionierleben im amerikanischen Westen begonnen. Entgegen der realistischen Darstellung Müllers ist die Beschreibung des Auswanderers Louis Frederick Faust von der Begeisterung für Amerika erfüllt. Schon bei seinem Reiseantritt im Mai 1877 war er überzeugt, in der Neuen Welt sein Glück zu finden:

"Die Antwort, überhaupt mein unbeugsamer Entschluß war, zu schaffen und zu arbeiten mit Freuden, denn selbst habe ich mir ja dies Loos gewählt."

Einen Abschiedsschmerz leugnete er:

"Leb' wohl Deutschland! Leb' wohl Europa, sagte ich stille zu mir, es zuckten unwillkürlich meine Glieder, sofort aber kehrte das Selbstbewußtsein, die stille Zufriedenheit und Freude wieder in mich zurück. Wenn ich im sichersten Haus gewesen wäre, hätte ich nicht gleichgültiger sein können."

Auch von der Seekrankheit will er nichts bemerkt haben:

"Aus eigener Erfahrung kann ich hierüber durchaus nichts schreiben oder berichten, denn ich selbst bin keinen Augenblick seekrank gewesen."

  Karikatur

Karikatur in Harper's Weekly, 1872

Ungebrochen war sein Optimismus bei der Ankunft in Amerika:

"Auf New Yorks Pflaster trampelte jetzt ein Europamüder mehr. ... Bei Gott, wem sollte es hier nicht gefallen, jedem von Euch würde es hier zum Wohnsitz conarminieren. Welche recht einfältige dumme Ansicht hat man doch bei Euch von America. Alles bis jetzt hier Gesehenes gefällt mir ausgezeichnet."

Seine Verwandten in Deutschland ließ er an der Schwärmerei teilhaben:

"Versuchen will ich, Dich mit den hiesigen americanischen Verhältnissen etc. bekannt zu machen, damit Du den gewaltigen Unterschied kennen lernst. Kein Wort lüge ich, nein die nackte Wahrheit will ich Euch schreiben, Ihr braucht an nichts zu zweifeln, ... wer einige Zeit hier gelebt, verlangt nicht mehr nach Deutschland."

Faust war immer wieder von der amerikanischen Großzügigkeit beeindruckt:

"Die Kleinigkeitskrämerei wie bei Euch kennt man hier nicht. Ich wünschte, Ihr könntet mal 1 Stunde hier zusehen, wie böhmische Dörfer käme Euch dies alles vor. ... Ich freue mich ungemein, daß ich hier bin. Alles gefällt mir hier sehr gut und kann mir keiner Geld etc. genug bieten, um mich zum umkehren zu veranlassen."

Faust hatte den Vorteil, dass ein Verwandter in Amerika schon Fuß gefasst hatte. Dieser sichere Rückhalt erleichterte ihm den Start. In leuchtenden Farben beschrieb er den sozialen Status dieses Farmers, den er als sein Vorbild ansah:

"Gleich einem König lebt er hier auf seiner Farm. Alles was in der Umzäunung liegt ist sein Eigenthum, worauf er unbeschränkter Herr ist. Wie lieblich ist es hier, ‚o, armselige Heimat!' Ein Theil von der Farm ist ein schattiges Wäldchen, wo oft ein fröhliches Festchen gehalten wird, ein sogenannter Pic-Nic. ... Seine Farm ist klein und könnte er solche um billiges Geld bedeutend vergrößern, dies will er aber nicht, er sagt, dann muß mehr Leute & mehr Sorge haben. Ich bin so am besten ab, meint er. Welches Verhältnis gegen Euch draußen. Nur wenige Wochen im Jahr arbeitet ein Farmer im ganzen Jahr, wo ich mit der Maschine nichts machen kann, da bleib ich weg, sagt er. Neben dem Wohnhause steht ein schönes Provianthaus, welches voll mit Schinken, Seiten und anderem Fleisch hängt. Butter, Eier etc. sind ebenfalls in Hülle & Fülle da."

Aus der positiven Beurteilung Amerikas, wie Faust sie zum Ausdruck brachte, kann nicht geschlossen werden, dass die Assimilation der Auswanderer immer störungsfrei verlief. Wenn sich Deutsche als Träger geistiger Werte betrachteten, die den Gegensatz zum amerikanischen Pragmatismus betonten, waren Auseinandersetzungen nicht zu vermeiden. Oft aber bot schon das Erscheinungsbild der Eingewanderten Anlass zu kritischen Betrachtungen, das mit der obigen Karikatur veranschaulicht wurde.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Schneider von der Universität Hannover. Er genehmigte mir die Nutzung der Texte über die Herren Müller und Faust.
Herr Dr. Schneider unterhält zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Hauptmeyer und deren Studenten eine höchst interessante Internet-Seite über Auswanderer aus Niedersachsen. Er wird sich über einen Besuch seiner Seiten bestimmt freuen.






Wolfgang Buchhorn 07.04.2008