Hanoi, Vietnam
Stadt der Mopeds

Leider bin ich ungefähr ein halbes Jahr zu spät mit meinem Vietnam-Reisebericht. Meine Kamera war kaputt und ich mußte erstmal warten, um die Bilder auf meinen Computer herunterladen zu können. Trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Die circa 3,5 Million Einwohner große Hauptstadt von Vietnam präsentiert sich jedem Besucher von einer anderen Seite. Das erste was wohl auffällt, ist der sagenhafte Verkehr. Stellen Sie sich folgendes vor: Tauschen Sie die Autos einer durchschnittlichen deutschen Großstadt gegen Mopeds aus. Erhöhen Sie die Anzahl um ungefähr das doppelte und ersetzen Sie die Mopeds dieser deutschen Stadt mit Autos. Schon haben Sie einen Eindruck was auf Hanoi's Straßen los ist.

Diese ungeheure Dichte des Verkehrs läßt viele Verkehrsteilnehmer zu seltsamen Maßnahmen greifen. Ich bin sehr häufig mit dem Taxi unterwegs gewesen und habe dabei bevorzugter Weise mehr aus dem Seitenfenster geschaut als nach vorn. Ein gutes Beispiel ist das Linksabbiegen. Der Fahrer "ordnet" sich erstmal in den Gegenverkehr ein, um dann nach mehreren Hundert Metern seine eigene Fahrspur zu erreichen. Es ist für einen nicht-erfahrenen "Hanoi-Fahrer" schon ein heißes Gefühl, wenn der Gegenverkehr frontal auf einen zujagt. Natürlich geht das alles nicht ohne pausenloses Hupen vonstatten.



Besonders erwähnenswert sind Überlandfahrten. Ich bin von Hanoi nach Vienh gefahren, eine Strecke von ca. 300 km. Die Straße dorthin ist nicht ausgebauter als eine Verbindungsstraße zwischen zwei kleineren Ortschaften. Der Verkehr aber ist ungefähr genauso wie Freitagmittag auf der A7. Also schrecklich. Auch hier kommen wieder die seltsamen Maßnahmen zum Zuge. Überholen mit gemächlichen Tempo bei Gegenverkehr oder Rechtsvorbei gehören hier zur Normalität. Eine 180 Grad Wendung im fließenden Verkehr scheint für die Vietnamesen einen besonderen Reiz auszumachen. Da Vietnam zum Großteil noch rein landwirtschaftlich eingestellt ist, gehören natürlich auch Rinder, Schafe oder Hühner zum Straßenbild. Sehr interessant . . . besonders mit hoher Geschwindigkeit in einem Auto.
Das Moped ist in Hanoi nicht nur ein reines Fortbewegungsmittel, sondern dient auch als günstiges Transportmittel. Nicht vergessen möchte ich die Viehtransporte. Auf dem Gepäckträger eines Mopeds befand sich eine metallene Reuse. Inhalt? Zwei ausgewachsene Schweine. Bei einem anderen Moped war es ein über dem Vorderrad befestigtes Holzbrett. Auch hier war ein ausgewachsenes Schwein festgeschnallt. Die Schweine taten ihrer Not kund mit lautem Geschrei.


Ein anderes Problem ist der Parkraum. Die unzähligen Mopeds werden auf Fußwegen abgestellt, der Fußgänger ist ständig gezwungen die Fahrbahn zu benutzen oder es werden ganze Straßenzüge zugestellt. Eins ist aber besonders witzig. Vor einigen Jahren wurden die Fußwege von den Händlern mit demselben Ergebnis für die Fußgänger als Ausstellungsfläche genutzt. Die Stadtverwaltung verbot dies kurzerhand, die Fußgänger können ja nicht auf der Straße laufen, was wiederum die Mopedfahrer als willkommene Einladung aufgenommen haben. Ergebnis: Die Fußgänger laufen weiterhin auf der Straße.
Zum Thema "Man darf ruhig dumm sein, man muß sich nur zu helfen wissen" läßt sich folgendes vermelden: Mopeds werden schon seit längerer Zeit in Hanoi nicht mehr zugelassen. Der Verkehr wurde zu mächtig. Wundern muß man sich aber trotzdem. Eine große Anzahl der Mopeds sind augenscheinlich nagelneu.



Hanoi überrascht nicht nur mit dem Verkehr, sondern auch mit der Architektur. Die langjährige französische Kolonialherrschaft hat nachhaltig die vietnamesische Architektur beinflußt. Selbst neu gebaute Häuser erscheinen im südeuropäischen Stil. Hochhäuser oder auch sogenannte Glastürme findet man in Hanoi nicht. Man ist bemüht die alten Häuser zu erhalten und auch zu restaurieren. Wobei man mit dem letzteren nicht sehr erolgreich ist. Es geht eben alles etwas langsamer von statten.


In Hanoi wurden einige diverse Seen angelegt. Zu erwähnen wären der Bay Mau See und der Thien Quang See im Lenin-Park sowie der Hoan Kiem See (See des zurückgegebenen Schwertes), den ich als den attraktivsten bezeichnen würde. Auf einer Insel des Sees (Ngoc Son = Jadeberg-Insel) befindet sich ein daoistischer Tempel. Im Tempel findet man besonders schön geschnitzte Tempelfiguren. In einem Anbau ist eine ausgestopfte Riesenschildkröte ausgestellt. Nach den Beschreibungen und Bilddokumenten sollen diese Schildkröten noch heute im See leben. Irgendwie ist das nicht glaubhaft.

Die Legende, die dem See den Namen gegeben hat, lautet wie folgt: Der Großgrundbesitzer Le Loi kämpfte Anfang des 15. Jahrhunderts in einem 10 Jahre währenden Krieg gegen die chinesischen Besatzer der Ming-Dynastie. Nachdem Le Loi in einer für seine Truppen besonders bedrohlichen Lage den Himmel um göttlichen Beistand ersucht hatte, tauchte aus der Mitte des Sees eine goldenen Schildkröte auf, die ihm ein Schwert übergab. Mit dessen Hilfe konnte er die feindlichen Invasoren besiegen.

Bei der anschließenden Siegesfeier auf dem See erschien die Schildkröte erneut und forderte das magische Schwert zurück. Noch ehe der jetzt zum König Le Thai To avancierte Le Loi reagieren konnte, glitt das Schwert, wie von göttlicher Hand geführt, aus der Scheide zurück in den Mund der Schildkröte, die daraufhin im Wasser untertauchte.
Ihr zu Ehren wurde Ende des 16. Jahrhunderts auf einer Insel im Süden des Sees der Schildkrötenturm (Thap Rua) errichtet.

Eine andere Sehenswürdigkeit ist das Armeemuseum. Viele Exponate aus dem sogenannten Vietnam-Krieg (1946 - 1975) zeugen von dem stattgefundenen Wahnsinn. Besondere Aufmerksamkeit wird natürlich der "amerikanische Phase" (1960 - 1975) des Krieges geschenkt. In den letzten Jahren hat aber eine Annäherung zwischen Vietnam und Amerika stattgefunden. Dies ist soweit gediegen, daß sogar amerikanische Feiertage wie der Unabhängigkeitstag oder Thanksgiving in den nationalen Feiertagen aufgenommen worden sind. Der Dollar ist die Zweitwährung des Landes.

Fest verbunden mit Vietnam ist der Name Ho Chi Minh. Viele kennen noch den studentischen Schlachtruf "Ho, Ho, Ho Chi Minh" aus den 60er Jahren. Am 2. September 1945, nach der Kapitulation und dem Abzug der Besatzungstruppen Japans, proklamierte der zum Führer der Unabhängigkeitsbewegung aufgestiegene Ho Chi Minh die Demokratische Republik Vietnam. An dem Ort, an dem er damals die Tribüne bestieg, steht heute sein zwischen 1973 und 1975 entstandenes Mausoleum. Touristen sollten dort auf ihre "Sommeruniform" verzichten. Nur wer in gediegener Kleidung gekommen ist und sich strikt an diverse Anstandsregeln hält, wird von den Ehrenwachen in die Grabkammer mit dem Glassarkophag vorgelassen. Ho Chi Minh starb am 03.09.1969. Er wurde 79 Jahre alt.



Besonders spannend ist Hanois Altstadt. Sie hat nicht nur enge Straßen und Gassen, die für Lastwagen und Mopeds ungeeignet sind, sondern es drängen sich auch einfach zu viele Menschen auf zu engem Raum - in den Häusern wie auf den von Läden und Werkstätten gesäumten Straßen.
Die Altstadt ist die Stadt der Handwerker, die vor Hunderten von Jahren aus ihren Dörfern hierher übersiedelten. So wie die Dörfer auf ein bestimmtes Handwerk oder Gewerbe spezialisiert waren, so organisierten sich die neuen Stadtbewohner in strengen Zünften und wohnten in nach ihrer Tätigkeit bezeichneten Quatieren zusammen, die sie durch Wälle und Mauern abtrennten. Später, als immer mehr Menschen zugezogen waren, mußten die Mauern eingerissen werden, doch Stadt der "36 Straßen und Bezirke" nennen die Einheimischen die Altstadt bis heute.




Geblieben sind die 36 Straßennamen, die sofort anzeigen, welche Ware (Hang) hier Haus an Haus angeboten wird. Von der Hutgasse (Hang Non) kann man in die Zinngasse (Hang Thiec) oder die Pfeifengasse (Hang Dieu) abbiegen. Bohnen gab es in der Hang Dau, Fisch in der Hang Ca, Nudeln in der Hang Bun und Reis in der Hang Gao. Jeder Laden hat dabei nur eine Straßenfront von vier, fünf Metern, da alle Zunftmitglieder einen Laden benötigten, in dem sie ihre Produkte anbieten konnten. Entsprechend besitzen die Häuser eine Tiefe von 60 bis 80 Metern, Zimmer reiht sich übergangslos an Zimmer.
Die meisten Bauten stammen aus dem späten 19. Jahrhundert, und damit deutet sich das Kernproblem der Hanoier Altstadt schon an. Die hygienischen Zustände in den überbelegten, teilweise halbverfallenen Häusern sind katastrophal. Eine Sanierung ist ausgesprochen teuer, langwierig und mühsam. Was einmal aus der Altstadt werden wird, weiß niemand.




. . . und damit sind wir am Hauptproblem von Vietnam angekommen. Sauberkeit und Hygiene sind ein riesiges Problem. In Hanoi selbst ist es noch erträglich. Weit schlimmer ist es außerhalb der Metropole. Ich möchte die Gesamtschuld nicht der Regierung geben. Sicherlich wurde auf diesem Gebiet sehr viel vernachlässigt, aber die Unsauberkeit kommt meines Erachtens von den Leuten selbst. Auf meiner Fahrt nach Vienh steuerten wir mehrfach einige der sogenannten Straßenküchen an. Restaurants wie wir sie von zu Hause kennen, existieren auf dem Lande nicht. Ich habe noch nie in meinem Leben eine derartige Anhäufung von Dreck gesehen. Stühle, die ursprünglich Weiß waren, waren von einer dicken Dreckkruste überzogen. Gläser aus denen wir trinken sollten, hatten mit großer Wahrscheinlichkeit schon seit mehreren Tagen kein Abwaschwasser mehr gesehen. Der Boden wurde seit seiner Entstehung noch nie gereinigt. Die Kochstelle möchte ich gar nicht erst erwähnen. In einem Hotel, in dem wir übernachteten, gab es für das Kissen und die Decke keine Bezüge. Das Bettlaken war auch schon mehrfach benutzt gewesen.


Umweltbewußtsein scheint in den Köpfen der Vietnamesen nicht zu existieren. Ein großer See innerhalb eines Touristenzentrums schimmerte durch Treibstoffe in allen Regenbogenfarben. Ich beobachtete Menschen, die ihren Abfall in den See warfen. An der Sauberkeit der Menschen bestand dagegen kein Zweifel. Ich habe niemanden gesehen, der die Körperpflege vernachlässigt hat. Vietnam versucht die Tourismusindustrie anzukurbeln. In Sachen Sauberkeit muß noch vieles getan werden. Sonst wird das nichts.

Zum Schluß sollte eines nicht unerwähnt bleiben. Es wird in Vietnam augenscheinlich sehr viel Wert auf traditionelle Heilkunst gelegt. Man findet die unheimlichsten Getränke und Tinkturen in der Altstadt von Hanoi. Große Flaschen mit in Alkohol eingelegten Seepferdchen oder Schlangen. Es wird auch von eingelegten Bärentatzen erzählt. Wenn man nach dem Wirkungsbereich fragt, bekommt man eigentlich nur eine Antwort: "Good for men!" Ob die wohl selber daran glauben?