Yantai   
Stadt der Vielfalt und Kontraste

Yantai nimmt mit seinen 6.5 Millionen Einwohnern mit Sicherheit eine besondere Stellung in meinen Reiseerinnerungen ein. Yantai gehört nicht zu den "perfekt" entwickelten Städten und hinkt mit seiner Entwicklung vielleicht 10 - 15 Jahren hinter den mir bekannten Städten in China hinterher. Neben hochmodernen Wolkenkratzern sieht man auch Wohnviertel, die es wahrscheinlich schon vor 100 oder 200 Jahren gegeben hat. Viele Wohn- und Geschäftsviertel sind zwischen 1950 und 1970 entstanden. Reisende, die die Vielfalt suchen, sind hier goldrichtig.
Laut Internet regnet es in Yantai einmal . . . den ganzen Sommer. Ich konnte dies nicht feststellen. Es hat zwar auch geregnet, aber ich habe dies immer als eine willkommene Abkühlung angesehen. Oft war es nicht. Das Klima soll für Europäer sehr angenehm sein . . . ich bin dort streckenweise verglüht. Vor 200 Jahren erlebte Yantai den letzten Frost. Ein Hinweis auf das "günstige" Klima.

Yantai liegt fast an der Spitze der Halbinsel "Shandong Bandao", also fast schon im nördlichen China und zählt zu den wichtigen Hafenstädten der Region am Gelben Meer. Das Umland ist ganz auf Landwirtschaft ausgerichtet. Eine Großindustrie scheint hier nicht zu existieren.
Auf Grund der Lage ist der Speiseplan natürlich ganz auf Meeresfrüchte eingestellt, wobei die landwirtschaftlichen Produkte auch nicht ganz unwichtig sind.


In dieser Stadt gibt es verschiedene Märkte, auf denen fast ausschließlich die lokalen Erzeugnisse direkt vom Erzeuger angeboten werden.
Besonders spannend fand ich aber den Nachtmarkt. Um 5 oder 6 Uhr nachmittags wurde die Straße vor meinem Hotel gesperrt (interessierte aber keinen) und unzählige Händler mit den unterschiedlichsten Waren für den täglichen Bedarf fanden ihren Stelldichein. Das Hauptangebot waren Textilien, aber auch Küchenartikel, Schmuck, Musik-CDs, Kosmetik, chinesische Tuschezeichnungen, auch die berühmte "Lollex" . . . einfach alles gab es hier zu kaufen. Ich selbst leistete mir 2 Jeans aus chinesischer Produktion für sage und schreibe 7 Euros. Phantastisch. Gegen 2 oder 3 Uhr ebbt der Käuferstrom ab und man findet am Morgen nichts mehr vor . . . bis zum nächsten Abend . . . 7 Tage die Woche.

Ich hatte schon in meinem Bericht aus Guangzhou über die chinesische Küche erzählt. Es läßt sich aber alles steigern. Mein Kollege sprach beim Essen immer nur von Fahrradschläuchen und Ventilgummis. Er hatte nicht ganz unrecht. Wie auch in Guangzhou gehört auch in Yantai die Seegurke zum Essensplan. Schön zerlegt auch für Europaer essbar. Die Konsistenz ist einem Fahrradschlauch nicht unähnlich. Im Internet wird die Seegurke als chinesische Vitaminbombe bezeichnet. Einen Tag später servierte man uns die Seegurke in ihrer vollen Schönheit. Stellen Sie sich eine 10 bis 15 cm lange schwarze Schnecke vor, über und über mit irgenwelchen Auswüchsen bedeckt. In diesem Moment überfiel mich ein übermäßiges Sättigungsgefühl. Das andere waren in kurze Stücke geschnittene graue Ventilgummis. In der Ganzheit könnten das Sielwürmer gewesen sein . . . ich bin mir aber nicht ganz sicher . . . will ich auch nicht sein. Berühmt ist China auch für seine Seide, aber das man die Produzenten, die Seidenraupen, auch essen kann, war mir neu.

Das Wahrzeichen von Yantai ist der auf dem Yantai-Berg erbaute Leuchtturm. Während der Ming-Zeit (um 1398) wurde die Yantai Region immer wieder von Piraten überfallen. Zum Schutz baute man zwei kleine Festungen mit Kanonen und als Meldesystem ein "beacon flat", ein Haus mit einem Leuchtfeuer. Nachts warnte der Feuerschein und tagsüber der alles verdunkelnde Rauch. Dieser dicke schwarze Rauch gab Yantai seinen Namen. "Yan" ist das chinesische Wort für Rauch. Um den später erbauten Leuchtturm haben sich um die Jahrhundertwende ausländische Vertretungen angesiedelt. Alle Länder mit Rang und Namen hatten hier ihre Paläste erbaut. Allein diese Tatsache läßt vermuten, daß Yantai schon einmal bessere Tage erlebt hatte.

Im Bereich des Tourismus scheint man in Yantai einiges zu bauen und zu planen. Außerhalb und innerhalb der Stadt wurden kilometerlange Sandstrände angelegt. Die neu gebauten Hotels und Restaurants erinnern an ein englisches Strandbad oder auch an Bauten ehemaliger Kolonialzeiten. Geboten wird den Gästen mit ihren Kindern eine Menge. Von der Schiffsschaukel bis hin zum totalen Techno-Erlebnis gibt es für alle Geschmäcker etwas zu erleben.

In meinem letzten Reisebericht aus Seoul versprach ich über meine Erlebnisse in Burkina Faso zu erzählen. Wird leider nichts. Diese Reise wurde ersatzlos gestrichen. Wer weiß, wozu es gut ist?

Natürlich muß ich immer wieder, wie immer nach meinen China-Reisen, meine guten Freunde Ms. Qiao Miao und Mr. Pan Guangning erwähnen. Ohne ihre Unterstützung und Betreuung wäre China für uns nur ein riesiger Fleck auf der Landkarte.